über
Vom Militärgeheimnis zum interaktiven Museum
Das Fort de Chillon (Bauwerk A390), das strategisch günstig an der „Via Francigena - Der Weg der Franken“ gegenüber dem majestätischen Schloss Chillon liegt, ist weit mehr als nur ein Museum. Die Anlage, die einst zu den bestgehüteten militärischen Geheimnissen der Schweiz gehörte, ist ein ergreifendes Zeugnis der Schweizer Geschichte und Widerstandsfähigkeit im Herzen des XX.
Die Hauptaufgabe des 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, erbauten Fort de Chillon bestand darin, als strategischer Verteidigungspunkt entlang des Genfer Sees zu dienen und einen der entscheidenden Zugangswege zum Herzen der Schweizer Alpen zu schützen. Das Fort war so konzipiert, dass es Luft- und Bodenangriffen standhalten konnte, und seine unterirdische Lage machte es besonders schwer, es zu entdecken und anzugreifen. Es war Teil eines Netzwerks von Befestigungen und Bunkern (Le réduit National), das es der Schweizer Armee ermöglichen sollte, einer Invasion zu widerstehen, indem sie sich in die Berge zurückzog, wo die Streitkräfte einen längeren Defensivkrieg führen konnten.
Vom Sommer 1940 bis zum Herbst 1944 war die Schweiz von den Achsenmächten umzingelt und wurde insbesondere vom Dritten Reich bedroht, dessen „Neue Ordnung“ sie auf Dauer eingeschlossen hätte. Von der Blitzniederlage Frankreichs überrumpelt, organisierte sich das Land damals um sein „nationales Reduit“ herum, dessen westliches Eingangstor, das Fort Chillon, wir der Öffentlichkeit vorstellen werden.
Im Juli 1940 befahl General Henri Guisan die Errichtung eines umfassenden Festungssystems in den Alpen. Damit sollte der Schweizer Armee eine Rückzugsbasis zur Verfügung gestellt werden, die es ihr im Falle einer Invasion ermöglichen würde, drei Ziele zu verfolgen: den Vormarsch des Gegners zu bremsen oder zu stoppen, aber auch einen Gegenangriff zu starten. Dies ist die Geburtsstunde des nationalen Reduits.
In Chillon nahm es ab 1942 die Form einer mächtigen Festungsanlage an, die jeden Durchgang verhindern konnte und es der Garnison von St-Maurice ermöglichte, einen Kampf „ohne Rückzugsgeist“ zu führen, wie General Guisan es ausdrückte. Das Fort wurde 1994 zum letzten Mal von einer Truppe besetzt.
„Das Gelände befiehlt“. Dieses Fort ist das perfekte Beispiel für dieses Grundprinzip der militärischen Taktik. Über die Jahrhunderte hinweg hat die Schweiz ein günstiges Gelände für ihre Verteidigung genutzt und tut dies mit ihrer Armee aus Bürgersoldaten.“
Pierre Streit,
Historiker und Militärexperte
Ein interaktives Museum
Die Anlage, die eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung der Schweiz spielte, blieb bis zu ihrer Abrüstung im Jahr 1995 in Betrieb. Erst 2001 wurde die Anlage als „geheim“ deklariert, was den Weg für ihre Umwandlung in ein Museum ebnete.
Seit 2020 ist das Fort de Chillon ein interaktives Museum, das den Besuchern ein vollständiges Eintauchen in die Geschichte der Schweizer Festungsanlagen ermöglicht. Mithilfe moderner Technologien wie Augmented Reality können die Besucher über 20 Räume auf mehreren Ebenen erkunden, die jeweils fesselnde interaktive Erlebnisse bieten. Diese Einrichtungen ermöglichen es, das Leben der hier stationierten Soldaten nachzuempfinden und die strategische Bedeutung dieser Festung zu verstehen.
Ein Ort zum Lernen und Nachdenken
Das Fort de Chillon erzählt nicht nur Geschichte; es lädt auch dazu ein, über die Herausforderungen von Krieg und Frieden nachzudenken. Neben seiner historischen Rolle ist das Fort ein Ort der Entdeckung für alle Altersgruppen, an dem man die Herausforderungen verstehen kann, mit denen die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs konfrontiert war. Es ist ein Ort, an dem die Vergangenheit auf die Gegenwart trifft und bietet eine einzigartige Perspektive auf die Entwicklung der militärischen Verteidigung und ihre Auswirkungen auf die moderne Gesellschaft.
Ob Sie sich für Geschichte begeistern, neue Technologien lieben oder einfach nur neugierig sind, einen weniger bekannten Aspekt des Schweizer Kulturerbes zu entdecken, das Fort de Chillon verspricht Ihnen einen unvergesslichen Besuch. Das Museum ist per Schiff, Zug oder Bus erreichbar und ein Muss bei einem Besuch an der Waadtländer Riviera.
Geschichte & Referenzen
Vom Sommer 1940 bis zum Herbst 1944 war die Schweiz von den Achsenmächten umzingelt und wurde insbesondere vom Dritten Reich bedroht, dessen „Neue Ordnung“ sie auf Dauer eingeschlossen hätte. Nach der Blitzniederlage Frankreichs überrumpelt, organisierte sich das Land damals um sein „nationales Reduit“ herum, dessen westliches Eingangstor das Fort Chillon bildete.
Die Geschichte des Zweiten Weltkriegs wird immer ein relativ schwieriges Thema bleiben, wie eine Analyse 10 Jahre nach der Veröffentlichung des Bergier-Berichts feststellt: „Die Wahrnehmungen haben sich so sehr polarisiert, dass zwei sehr unterschiedliche Geschichten erzählt werden, die beide ihr Publikum gefunden haben. Die eine erzählt von der Schweiz und ihrer hochentwickelten Industrie, die eng mit den Achsenmächten verbunden ist. Die andere hebt den Willen eines Volkes hervor, sich zu verteidigen, sowie die politische, soziale und kulturelle Unabhängigkeit des kleinen neutralen Staates. Wenn man diese beiden Arten der Geschichtsdarstellung voneinander isoliert, schafft man zwei gegensätzliche Mythen: den Mythos einer geschäftigen und unmoralischen Schweiz und den leuchtenden Mythos einer erfolgreichen Überlebensstrategie“. (Quelle: Memorado.ch. Le rapport Bergier dix ans après)
Während der Zeit von 39-45 gab es vier Hauptakteure, die innerhalb und außerhalb des Landes miteinander interagierten.
- Der Bundesrat
Der Bundesrat, der am 30. August 1939 von beiden Kammern die volle Macht erhielt und das Land während der gesamten Kriegszeit ohne Rücksprache mit irgendjemandem führen wird. - General Guisan
General Guisan, der von beiden Kammern am selben Tag fast einstimmig (204 von 229 Stimmen) gewählt wurde. Allgegenwärtig im Feld, sowohl bei den Truppen als auch bei der Zivilbevölkerung. Dort erlangt er eine enorme Popularität. - Finanzen
Die Nationalbank und öffentliche und private Bankkreise, Versicherungen, Anwaltskanzleien und Treuhänder - Wirtschaft
Vorort, Schwer- und Präzisionsindustrie, die ihre Exporte weiter ausbauen
Der Bergier-Bericht behandelte nur die Haltung des Bundesrats zur Asyl- und Abschiebepolitik, die Rolle des Wirtschaftsstandorts und die Zwangsarbeit in den Niederlassungen von Schweizer Unternehmen in Deutschland, den SBB-Transit, das Gold der SNB und die nachrichtenlosen Vermögen eingehend. Er zog die richtigen Schlüsse daraus und veröffentlichte die Beweise für die Geschehnisse. Die militärische Bedrohung oder die Rolle der Schweiz als nachrichtendienstliche Drehscheibe wurden hingegen nicht thematisiert.
Die Armee mit ihrer Strategie des nationalen Reduits hingegen blieb bis zum Ende des Kalten Krieges nahezu unangefochten und wurde von einem charismatischen General getragen.
Die Strategie des Reduced National hat die Invasion der Schweiz verhindert. Bluff oder Realität? Warum nicht beides?
Wie dem auch sei, die Kulisse ist geschaffen, der Mythos ist geboren. General Guisan ist sein „Pokerface“ gelungen und hat damit der Geschichte seinen Stempel aufgedrückt.
Das „Reduit“ blieb bis zum Ende des Kalten Krieges das Leitmotiv der Strategie der Schweizer Armee. Und bauen wir nicht in jedes unserer Häuser einen Atombunker? Das Réduit ist Teil der DNA der Schweiz.